Die täglichen Nachrichten machen wirklich keinen Spaß. Es gibt eigentlich kein anderes Thema mehr als die Pandemie und die mit ihr verordneten Einschränkungen. Wir werden rund um die Uhr in Alarm versetzt und sollen geduldig auf das Ende des Schreckens warten. Das Lieblingswort der Politiker, Wissenschaftlicher, Wirtschaftsbosse und einfachen Bürger ist die Hoffnung. Wir sollen die Dramatik anerkennen, die Anstrengungen würdigen und vor allen Dingen die Hoffnung nicht aufgeben, dass alles wieder besser oder gar gut wird.
Genau diese Erwartung ist es aber, die die Gesellschaft, den Staat, die Wirtschaft und jeden einzelnen Mitbürger geradezu lähmt und alle guten Lösungen des Problems effektiv verhindert. Die Hoffnung ist das Beruhigungsmittel für alle, die auf eine Impfung warten. Die Reflexe des gesellschaftlichen wie ökonomischen Krisen-Managements sind jedoch wie Wirtstiere, die die Krise nur verstärken.
Die Büchse der Pandora war voller Hoffnung
Der Mythos von der Büchse der Pandora ist weitgehend bekannt und zu einer häufig verwendeten Redewendung geworden. Auf Geheiß des Zeus wird Pandora aus Lehm geschaffen. Nach ihrer Heirat öffnet sie die Büchse, in der alles Böse und die Hoffnung ist. So kam das Schlechte in die Welt und seit jeher wird die Hoffnung als Gegenpol von Tod, Krankheit, Hunger und Elend und natürlich auch Covid 19 verstanden.
Mit Nietzsche hat diese über hunderte von Jahren überlieferte Deutung eine ganz neue Perspektive gewonnen. Er behauptet, dass die Hoffnung, das schlimmste aller Übel ist.
„Zeus wollte nämlich, dass der Mensch, auch noch so sehr durch die anderen Übel gequält, doch das Leben nicht wegwerfe, sondern fortfahre, sich immer von Neuem quälen zu lassen. Dazu gibt er dem Menschen die Hoffnung: sie ist in Wahrheit das übelste der Übel, weil sie die Qual der Menschen verlängert.“
Dieser Gedanke ist zumindest eine Überlegung wert. Gibt es doch Allegorien der Hoffnung, wie die betenden Hände von Dürer, die Gottesglaube an die Stelle von engagiertem Handeln setzen. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass Hoffnung eine passive Komponente hat, die zum Ertragen der üblen Situation auffordert. Also erst einmal abwarten, oder nicht?
Die Hoffnung der Wirtschaft
Das passive Element der Hoffnung erleben wir in der Wirtschaft jeden Tag. Viel zu selten wird die Frage gestellt, welche grundlegenden Änderungen jetzt sofort angegangen werden sollten, um nicht nur die Pandemie zu überleben, sondern neue und große Erfolge zu feiern. Viel zu häufig hört man als Antwort auf die Frage nach der Zukunft: „Lassen Sie uns erst einmal schauen, was passiert.“ Das typische Krisen-Management ist abwartend und reaktiv. In praktisch jeder Sitzung in den letzten Monaten wurde eine aktive Auseinandersetzung mit einem größeren Wandel aufgeschoben. Aus einer angekündigten großen Transformation der Wirtschaft sind Homeoffice, Fernunterricht und Laptopausstattung geworden. Den meisten Managern reicht wohl die Hoffnung auf ein NewNormal. Und natürlich man hat die Hoffnung, das es nicht mehr lange dauern kann, bis man das rettende Ufer einer neuen Normalität erreicht hat.
Ja, es macht im Krisen-Modus einen Unterschied, ob ein Lockdown verlängert wird. Ja, es ist natürlich nicht dasselbe, ob Insolvenzantragspflichten ab morgen oder übermorgen wieder aufleben. Die Zukunft sollte man aber nicht als einen Tag X nach den politischen Einschränkungen definieren. Die Zukunft ist nicht die Wartezeit bis zum nächsten schrecklichen Ereignis. Die neuen Erfolge liegen nicht auf der Strecke bis zur nächsten rettenden Insel. Man kann und muss Zukunft und Erfolg längerfristig betrachten.
Wenn man erst einmal sensibilisiert ist, dann fällt auf einmal der inflationäre Gebrauch der Hoffnung auf. Wir hoffen auf Impfstoff, auf einen Rückgang der Inzidenzwerte, auf die Akzeptanz der Einschränkungen, oder eben ganz allgemein auf ein schnelles Ende der Pandemie. In der Wirtschaft hoffen die einen auf eine schnelle Erholung und die anderen propagieren eine längere Durststrecke. Allen gemeinsam ist, die Hoffnung, dass es wieder bergauf gehen wird.
Führung und Zuversicht
Es mag haarspalterisch erscheinen, aber ein Wort wie Zuversicht hat eine ganz andere Bedeutung. Die Zuversicht hat eine positive Konnotation und ist weit weg von gefalteten Händen, die gegen Himmel gerichtet sind. Aber wie kann man Zuversicht gewinnen? Die Antwort ist ganz einfach: Durch Handeln!
Fangen Sie mit kleinen Schritten an. Erkennen Sie für sich selber, wenn Sie wichtige Themen bis zu einem nächsten Ereignis aufschieben. Machen Sie sich bewußt, wieviel Reaktion den Tagesablauf bestimmt und wie wenig Gestaltung in Ihrem beruflichen Leben wirklich vorhanden ist. Stellen Sie sich die Frage, ob die Fundamente des Geschäftes vor der Krise auch die Garanten für Erfolge in der Zukunft sein werden. Anders ausgedrückt: Erweitern Sie ihren Horizont!
Gute Führung hat einen weiten Horizont. Gute Führungskräfte erkennen den silbernen Streif am Horizont und nicht nur das Licht am Ende des Tunnels. Es geht darum, Neuland zu betreten und Altes hinter sich zu lassen. So muss man den Antrieb der großen Entdecker verstehen, die noch heute unser Weltbild prägen. Tatsächlich sind auch die Ikonen der Wirtschaft diejenigen, die neue Welten erkunden und gestalten.
Nicht nur auf politischer Ebene dominieren Maßnahmen, die unsere gesellschaftliche und wirtschaftliche Zukunft nicht fördern. Auch in der Wirtschaft und in den Unternehmen fehlt es an langfristiger Gestaltung. Stellen Sie (sich) daher regelmäßig die Frage, ob ihre Beschlüsse und Maßnahmen über die Pandemie hinaus reichen.
Das Momentum nutzen
Jetzt ist genau der richtige Zeitpunkt, um an neuen Ideen für die Wirtschart, oder neuen Geschäftssystemen für die Unternehmen zu arbeiten. Die Terminkalender sind nicht mehr durch lange Reisen und ausschweifende Meetings blockiert. Und gerade jetzt stellt sich sowieso jeder die Frage, was nach Corona passiert. Die Diskussion ist eröffnet, nur die Antworten fehlen noch. Das ist Arbeit, harte Arbeit. Doch sie muss getan werden, Gerde jetzt. Der Lohn für all die Mühen ist die Zuversicht, dass Sie nicht nur „da raus kommen“, sondern auch „etwas tolles schaffen“.
Oder hat der Volksmund doch recht, dass die Hoffnung zuletzt stirbt?
NewWork war eines der Schlagwörter vor der Pandemie. Die Corona-Krise hat diese Diskussion sogar noch einmal befeuert. Home-Office, Video-Calls und eine Arbeitswelt im Arbeitszimmer oder gar am Küchentisch werden zurecht als Elemente einer neuen Arbeitswelt angesehen. Die Work-Life-Balance hat sich massiv verändert. So kommt die Frage auf, was denn von diesen Errungenschaften in die Zeit nach der Pandemie gerettet werden kann und soll. NewNormal ist das neue Schlagwort.
- Nach der Pandemie kommen emotionslose Restrukturierer und Insolvenzveralter zum Zuge
- Sie werden Kosten abbauen und auch Elemente abschaffen, die für New Work wichtig sind (Weiterbildung, Seminare, Workshops…)
- Der New-Work-Individualismus wird von den Restruktrierern zugunsten von Gemeinschaftsthemen, also Zusammenhalt in der Krise, abgelöst
Da sich gezeigt hat, dass die neuen Gegebenheiten viele Vorteile mit sich bringen, fordern nicht wenige Autoren, nach der Pandemie weitere Aspekte von NewWork anzugehen. Doch da ist wohl der Wunsch der Vater des Gedanken. Wenn man sich die wirtschaftliche Entwicklung anschaut, gibt es einige Hinweise darauf, dass wir temporär zum OldManagement zurück kehren werden.
Vom exogenen Schock zur strukturellen Krise
Corona mit all seinen Maßnahmen der Bekämpfung sind ein exogener Schock. Unerwartet und ohne eigenes Verschulden ist plötzlich eine Krise entstanden. So hegen viele die Hoffnung, dass nach der Pandemie wieder vieles wird wie früher. Die Frage ist nur, wann und wie schnell. In der Krise haben wir gelernt, dass man sich vernünftigerweise auf die Wissenschaft verlassen sollte. Reihenweise melden sich jetzt Wirtschaftswissenschaftler mit Zukunftsszenarien zu Wort. Diskutiert wird eine V-Kurve oder, wenn es schlecht läuft, eine U-Kurve. Und da es eben Wissenschaft ist, also alles fundiert und objektiv ist. Muss es ja auch so kommen. Die Wissenschaftlicher zeigen uns verschiedene positive Entwicklungen auf und geben uns die Hoffnung, dass es alsbald ein NewNormal geben wird. Neue Infektionszahlen verpassen uns dann wieder einen gehörigen Dämpfer.
Ein verloren gegangener kultureller Sektor, geschlossene Gaststätten, einbrechende Geschäfte, ausbleibende Flüge, Konsumzurückhaltung usw. führten zu einem Effekt von minus 10,1% der Wirtschaftsleistung im 3. Quartal. Das alles sind negative Entwicklungen, die auf dem exogenen Schock der Krise beruhen. Doch schon jetzt sind viele Geschäfte tot oder im schweren Überlebenskampf. Eine schnelle Rückkehr auf das Wirtschaftsniveau vor Corona ist also nicht realistisch. Bildlich gesprochen, kommen nicht alle aus dem Shutdown zurück.
Es besteht doch kein Zweifel, dass unsere Gesellschaft schon seit Jahren von deutlichen Veränderungen geprägt ist. Ganze Wirtschaftszweige stehen für eine Old Economy, deren Zukunftsfähigkeit zurecht angezweifelt wird. Über Kohle und Stahl läutet die Totenglocke, so laut, dass wir Sie von den Braunkohlerevieren bis in unsere Metropolen hören. Der Kraftwerksbau versucht bis heute, mit Techniken des letzen Jahrhunderts zu punkten. Die Chemieindustrie hat einen Schwerpunkt in der Bekämpfung der Natur, den sie Schädlings- und Unkrautbekämpfung nennen. Die Automobilindustrie träumt immer noch vom 4 Personen Haushalt mit 4 Fahrzeugen. Die Banken suchen den Heiligen Grahl eines zukunftsfähigen Geschäftssystems und werden sicher sterben, ehe sie ihn gefunden haben.
Eine apokalyptische Insolvenzwelle wird kommen
Die aktuellen Zahlen belegen die Misere: Stellenabbau bei der Deutschen Bank alleine in der Verwaltung minus 2000 Leute. Commerzbank minus 10.000 Stellen und 200 Filialen. Continental, Schließung von Carmen und Aachen und Personalabbau von 4.800 Mitarbeitern. Man kann die Liste fast endlos fortschreiben.
„Corona hat gar nicht viel verändert, sondern nur Entwicklungen beschleunigt“
So sehen denn auch alle Experten der Wirtschaft, wenn auch manchmal hinter vorgehaltener Hand, eine riesige Insolvenzwelle auf uns zu kommen. Wenn die kurzfristig wirksameren Maßnahmen der Regierung nicht mehr greifen, werden wir ab diesem Herbst von einem Tsunami an schlechten Unternehmensnachrichten überrollt. Diese Entwicklung ist unaufhaltsam und es ist kein exogener, sondern ein endogener Schock. Selbst verursacht durch ein Festhalten an alten Geschäftssystemen und Strategien. Geradezu herauf beschworen durch die Bequemlichkeit des Status Quo vor der Krise. Politisch mitverursacht durch die mangelnde Bereitschaft zur Veränderung. Unternehmerisch verantwortet durch eine nicht rechtzeitige Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.
Restrukturierung heißt Cost-Cutting
Wenn den Unternehmen das Geld ausgeht, wird die strukturelle Krise für alle sichtbar. Dann fehlt aber eben auch das Geld für langfristige Transformationsprogramme. In der Krise herrschen andere Gesetze. Der Turnaround ist klassischer Weise eine reine Kostenanpasssungsmaßnahme. Es geht um das nackte Überleben der Betriebe.
Insolvenzpläne sind emotionslos und aus Sicht der Verantwortlichen ebenso alternativlos. Es geht nicht mehr darum NewWork umzusetzen, sondern OldWork, sprich bestehende Arbeitsplätze zu retten. Als logische Folge werden massenhaft Entlassungen ausgesprochen. Die Leistung und nicht das Betriebsklima rücken wieder in den Vordergrund. Die verbleibenden Menschen in den Unternehmen müssen wieder funktionieren.
NewWork wird in der echten Wirtschaftskrise als teures Hobby der Personaler deklariert und ist damit dem Tode geweiht. Die Coaches und Trainer in Deutschland können das jetzt schon erkennen. Diese Einzelunternehmer sind durch die Kontaktverbote zu Beginn der Pandemie auf Umsätze nahe Null zurück gefallen. Es zeichnet sich aber trotz der mittlerweile deutlichen Entschärfungen kein New Normal ab. Die Protagonisten des NewWork werden unter der Deutungshoheit der Insolvenzverwalter wohl fürs erste zuhause bleiben müssen. Ohne Arbeit, also nicht HomeOffice, sondern Abwasch und Bügelbrett.
Vom Individuum zur Gemeinschaft
Wie sagte schon Anaximander: „Nach ewigem Gesetz gehen aus aus dem Unbestimmt-Grenzenlosen immer neue Welten hervor und kehren wieder in dasselbe zurück, einander Strafe und Buße gebend für die Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit“.(fn) So ist es denn wohl auch mit vielen Aspekten des NewWork.
Natürlich wird das HomeOffice in verschiedenen Formen überleben. Selbstverständlich wird die Video-Conference dauerhaft in Konkurrenz zur Geschäftsreise stehen. Ganz sicher werden die Co-Working Arbeitsplätze an Bedeutung gewinnen, wenn man sowohl zuhause als auch im Betrieb arbeiten kann.
Eine neue Entwicklung wird aber wohl nicht aufzuhalten sein. Die notwendige Abkehr vom Individualismus. Es ist ja unstrittig, dass NewWork eine neue Arbeitswelt ausgemalt hat, die den individuellen Bedürfnissen gerecht wird. Selbstführung, Achtsamkeit, JobSharing und auch Diversity betonen die Einzigartigkeit des Individuum. Jeder soll sich selber verwirklichen können und die Gelegenheit dazu direkt am Arbeitsplatz erhalten. Zum Glück wird das vorbei sein.
Keine Gemeinschaft lebt von der Einzigartigkeit und dem „Pursuit of happiness“ des Einzelnen, sondern von der gemeinsamen Vision und der gemeinsamen Mission. Wir hatten einen American Dream importiert. Danach kann man sich sogar auf die Verfassung berufen, wenn man sich ungerechten Herrschern gegenüber sieht, und man soll die Dinge eben selber in die Hand nehmen. Schwarzenegger, Bruce Willis und Silvester Stallone lassen grüßen. Jeder einzelne soll sein Glück suchen und seinen eigenen Erfolg finden. Im amerikanischen wird Ich groß geschrieben.
Extrawürste haben auch in Insolvenzen keinen Platz mehr. Schon die Bestellung eines Insolvenzverwalters legt die Perspektive vom einzelnen Gesellschafter auf die Gruppe der Gläubiger. Alle an der Restrukturierung Beteiligten, ob Verwalter, Chief Restructuring Officer, Führungskräfte, Mitarbeiter und sogar der Betriebsrat ziehen not gedrungen an einem Strang; und das hoffentlich kräftig.
Ausgeprägter Individualismus ist nicht unsere Kultur und sollte es auch unter NewWork nicht sein. Endlich kommt es zu einer Begrenzung des Individualismus in der Gemeinschaft. Die Krise wird diese gute Entwicklung ganz sicher beschleunigen. Wenn es eng wird, muss man zusammen halten. Wenn die Zeiten schlechter werden, muss die Soziale Verantwortung wieder zunehmen.
Tatsächlich werden die guten Krisenmanger die Gemeinschaft wieder ins Gedächtnis zurück rufen. Ich selber arbeite schon seit mehr als 20 Jahren in der Restrukturierung. Es hat mich immer wieder erfreut, wie man trotz harter Einschnitte gemeinsam die Wende geschafft hat. Die Mission in der Krise ist einfach: Das Überlebens sichern! Dazu müssen alle mitmachen.