Was für ein besonderes Weihnachten. Die sonst üblichen Endlosschleifen der bekanntesten Weihnachtslieder haben uns nicht in einen tranceartigen Konsumrausch geläutet. Wir verlieren keine Zeit beim „Driving home for Christmas“ und die häufig als „buckelig“ bezeichnete Verwandtschaft wird auch nur in geringem Umfang nerven.
Die ideale Zeit also, um über dieses und das nächste Jahr nachzudenken. Wenn nicht jetzt, wann dann soll man ein Zukunftsbild für die Zeit nach der Pandemie entwerfen.
Doch die Hoffnung, dass wir neue und positive Zukunftsbilder malen und die Gesellschaft, Wirtschaft und Unternehmen in eine neue und gute Zukunft führen, ist nur gering. Hängen wir doch zu sehr in einer tiefen Management-Falle.
Die Pandemie als Botschafter des Wandels
Die gewaltigen Eruptionen der Pandemie hatten zunächst einmal Organisationsthemen aufgeworfen. Im Frühjahr ging es um die Anmeldung von Kurzarbeit, die Ausstattung der Mitarbeiter, rechtliche Fragestellungen und die Ausnutzung der großzügigen Geschenke vom Staat. Das Krisen-Management hat auf vielen, wenn auch nicht auf allen Feldern, gut funktioniert. Deutschland ist wieder und unter anderen Bedingungen arbeitsfähig. Gott sei Dank.
Es war – ehrlich gesagt – immer irgendwie klar, dass wir das gut hinbekommen. Ist unsere Gesellschaft doch durch und durch vom Management durchdrungen. Heute wird alles gemanagt. Nicht nur die großen Konzerne, sondern die Wirtschaft insgesamt, die Bildung, die Kunstbetriebe, sogar das Gesundheitswesen. Über Jahrzehnte war der Manager das Sinnbild für Erfolg. Management war das unbestrittene Erfolgsprinzip der Gesellschaft und der Wirtschaft.
Was ist der Kern vom Management?
Management ist eine Erfindung aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts. Der Erfinder des „Scientific-Management“, Frederick Winslow Taylor hatte die Aufgabe, eine industrielle Produktion aufzubauen. Dazu entwickelte er ein System, dass mit ungelernten und Arbeitern eine gleichbleibende Qualität auf geringstem Kostenniveau ermöglicht. Die Trennung von Planung durch die „White Collar“ und Ausführung durch die „Blue Collar“ war geboren. Mit besonders kleinen Arbeitspaketen und im festen Bestreben jegliche Unsicherheit weg zu definieren, wurde ein gut gefüllter Werkzeugkasten mit Strategien, Maßnahmen, Organisation, Koordination und Kontrolle zur Erreichung von Zielen entwickelt. Das Mantra des Management ist die Effizienz. Die Grundlage des Management ist die strenge Rationalität. Im besten platonischen Sinne wird frei von emotionaler Intelligenz allein durch die reine Vernunft die Zielerreichung sicher gestellt. So sollen definierte Ziele praktisch zwangsläufig erreicht werden. Es ist ja alles so durchdacht. Die Management-Entscheidungen sind so rational, dass man nicht davor zurück schreckt, sie als alternativlos zu bezeichnen.
Das Ende von Management
Die Pandemie ist ein vollkommen unlogisches Ereignis. Nicht vorhersehbar, ungeplant, verwirrend, herausfordernd, aber eben ein Fakt. Es ist gut, wenn man darauf schnell, rational und weitgehend emotionslos reagiert. Eine Hochphase für gutes Krisen-Management. Aber bei dem was jetzt auf uns zukommt, stößt das rein rationale und Effizienz getriebene Management an seine Grenzen.
Wir stehen zweifelsohne vor gravierende Umbrüchen. Einzelne Branchen werden auf geringem Niveau aus dem Lockdown zurückkehren. Ein damit verbundener „Zweitrundeneffekt“ wird die Geschäftspartner der angeschlagenen Unternehmen mit voller Wucht treffen. Dazu kommt eine ganze Reihe an Alt-Industrien, die nicht mehr zukunftsfähig sind. Das sich unsere in die Jahre gekommene Industriegesellschaft strukturell verändern muss, wissen wir schon lange und dennoch haben wir es versäumt, notwendige Veränderungen mit Kraft anzuschieben. Es war zu bequem, das Bestehende einfach weiter zu managen. Auch jetzt noch, an der Schwelle zu echten Herausforderungen, versuchen Unternehmenslenker und Berater gleichermaßen uns die allgegenwärtige Effizienz sogar als Geschäftssystem zu verkaufen. Wir leben in einer Hypertrophie des Management und damit eben auch in einem Effizienzwahn.
Wer dies nicht glauben mag, der kann sich in der Wirtschaftswoche die Interviews mit den führenden Unternehmensberatern anschauen. In allen Fällen wird direkt oder spätestens nach einem einführenden Satz die Notwendigkeit von Effizienzprogrammen betont. Im Englischen nennt man das ein „One Trick Pony“. Bei uns heißt das „Strategieberatung“.
Führung statt Management
Management ist eine rein rationale und von Logik getriebene Anschauung der Dinge. Sachlich ist es ein methodisch-instrumenteller Ansatz. Das Untersuchungsfeld ist das Bestehende und die Tatwaffe die Analyse. Was nicht analysiert werden kann, das darf es auch nicht geben, oder kann zumindest als zu unbestimmt abgewertet werden. Bei disruptiven Veränderungen werden aber alle mathematischen und logischen Annahmen praktisch über Bord geworfen.
Bei der Führung ist das ganz anders. Dort gibt es genau um zwei Dinge. Einerseits muss ein vernünftiger Weg zur Gestaltung einer unsicheren Zukunft gefunden werden. Kreativität und Mut sind gefordert, weil man das Neue und das Zufällige nicht weg diskutieren kann. Das Ungewisse ist das Spielfeld der guten Führung. Andererseits muss man Menschen überzeugen, diesen unsicheren Weg mitzugehen. Dazu braucht es eine gute Portion Überzeugungskraft und diese kommt einzig und alleine aus dem Pathos der Führungskraft.
Also weg mit den emotionslosen Managern, die über eine Effizienzorgie nicht hinaus kommen. Hin zu Persönlichkeiten, die gleichermaßen mit einem Gespür für die Situation und mit innovativem Denken das Minenfeld der unsicheren Zukunft überwinden. Leute die die Herausforderung des Unbestimmten nicht fürchten, sondern lieben.
Die Warnung zum Schluss
Doch Vorsicht: die Bewahrer haben schon die Gräben der Verteidigung ausgehoben. Unter dem Titel NewNormal geht es weniger um die Sehnsucht nach dem Neuen als um die Sucht nach Berechenbarkeit. Für diese Menschen, die Manager, ist ja während der Pandemie schon so viel Neues umgesetzt worden, dass man um eine Verschnaufpause bittet. Das Home-Office als Element von NewWork ist neuer Standard. Die neue IT-Ausstattung, um die man Jahre gekämpft hatte, wurde beschafft. Online-Konferenzen als Element einer notwendigen Digitalisierung sind allgegenwärtig. Führung erfolgt jetzt remote und man bringt den ohnehin nicht zu kontrollierenden Mitarbeitern auf einmal sogar ein wenig mehr Vertrauen entgegen. Nach so viel Veränderung soll es doch auch mal gut sein. Also fordern die Manager auf neuem Level zurück zum alt bewährten Management-Modus und endlich wieder auf Effizienz zu schalten.