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Sobald die Insolvenzwelle losgeht, wird New Work aus den Plänen der Personaler gestrichen. Zum Glück! Denn in der Krise geht es ums „Wir“ und nicht ums „Ich“.

Wie werden wir in Zukunft arbeiten? Wie werden wir kommunizieren, uns organisieren? Wird es noch Vorgesetzte, feste Arbeitszeiten, feste Arbeitsplätze geben? Um all das dreht sich das Thema New Work, die Diskussion um die Arbeitswelt der Zukunft. New Work gab es schon vor der Pandemie, doch Corona hat uns mit einem Schlag die Relevanz bewusst gemacht: Homeoffice, Videocalls und eine Arbeitswelt im Arbeitszimmer oder gar am Küchentisch werden zu Recht als Elemente einer neuen Arbeitswelt angesehen – in der Krise wurden sie sogar unerlässlich, um weiterarbeiten zu können.

Da sich gezeigt hat, dass die neuen Gegebenheiten viele Vorteile mit sich bringen, fordern nicht wenige Autoren, nach der Pandemie weitere Aspekte von New Work anzugehen. Doch da ist wohl der Wunsch der Vater des Gedankens: Die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung liefert im Gegenteil sogar Hinweise darauf, dass wir – zumindest temporär – von New Work zum Old Management zurückkehren werden.

Vom exogenen Schock zur strukturellen Krise

Corona mit all seinen Maßnahmen zur Bekämpfung ist ein exogener Schock. Unerwartet und ohne eigenes Verschulden ist plötzlich eine Krise entstanden. So hegen viele die Hoffnung, dass nach der Pandemie wieder vieles wird wie früher. Die Frage ist nur, wann und wie schnell. In der Krise haben wir gelernt, dass man sich vernünftigerweise auf die Wissenschaft verlassen sollte. Reihenweise melden sich jetzt Wirtschaftswissenschaftler mit Zukunftsszenarien zu Wort. Diskutiert wird eine V-Kurve oder, wenn es schlecht läuft, eine U-Kurve. Doch die neuen Infektionszah-len verpassen uns im Augenblick wieder einen gehörigen Dämpfer.

Eine apokalyptische Insolvenzwelle wird kommen

„Corona hat gar nicht viel verändert, sondern nur Entwicklungen beschleunigt.“ So sehen denn auch alle Experten der Wirtschaft, wenn auch manchmal hinter vorgehaltener Hand, eine riesige Insolvenzwelle auf uns zukommen. Wenn die kurzfristig wirksamen Maßnahmen der Regierung nicht mehr greifen, werden wir ab diesem Herbst von einem Tsunami an schlechten Unternehmensnachrichten überrollt. Diese Entwicklung ist unaufhaltsam, und es ist kein exogener, sondern ein endogener Schock. Selbst verursacht durch ein Festhalten an alten Geschäftssystemen und Strategien. Geradezu heraufbeschworen durch die Bequemlichkeit des Status quo vor der Krise. Politisch mitverursacht durch die mangelnde Bereitschaft zur Veränderung. Unternehmerisch verantwortet durch eine nicht rechtzeitige Entwicklung neuer Geschäftsmodelle.

Restrukturierung heißt Cost-Cutting

Wenn den Unternehmen das Geld ausgeht, wird die strukturelle Krise für alle sichtbar. Dann fehlt aber eben auch das Geld für langfristige Transformationsprogramme. In der Krise herrschen andere Gesetze. Ein Turnaround gelingt klassischerweise einzig und allein durch Kostenanpassungen, sprich: durch Sparen. Es geht um das nackte Überleben der Betriebe.

Insolvenzpläne sind emotionslos und aus Sicht der Verantwortlichen ebenso alternativlos. Es geht in so einer Situation nicht mehr darum, New Work umzusetzen, sondern Old Work – sprich: bestehende Arbeitsplätze – zu retten. Als logische Folge werden massenhaft Entlassungen ausgesprochen. Die Leistung und nicht das Betriebsklima rücken wieder in den Vordergrund. Die verbleibenden Menschen in den Unternehmen müssen weiter funktionieren, und zwar unter allen Umständen.

New Work wird in einer echten Wirtschaftskrise als teures Hobby der Personaler deklariert und ist damit dem Tode geweiht. Die Coaches und Trainer in Deutschland können das jetzt schon erkennen. Diese Einzelunternehmer sind durch die Kontaktverbote zu Beginn der Pandemie auf Umsätze nahe Null zurückgefallen. Es zeichnet sich aber trotz der mittlerweile deutlichen Entschärfungen kein New Normal ab, denn die Protagonisten des New Work werden unter der Deutungshoheit der Insolvenzverwalter wohl fürs Erste zu Hause bleiben müssen. Nur dass „zu Hause“ in diesem Fall nicht Homeoffice bedeutet, sondern Auftragseinbruch. Statt Schreibtisch jetzt Abwasch und Bügelbrett.

Vom Individuum zur Gemeinschaft

Wie sagte schon Anaximander: „Nach ewigem Gesetz gehen aus dem Unbestimmt-Grenzenlosen immer neue Welten hervor und kehren wieder in dasselbe zurück, einander Strafe und Buße gebend für die Ungerechtigkeit nach der Ordnung der Zeit.“ So ist es denn wohl auch mit vielen Aspekten von New Work.

Natürlich wird das Homeoffice in verschiedenen Formen überleben. Selbstverständlich wird die Videokonferenz dauerhaft in Konkurrenz zur Geschäftsreise stehen. Ganz sicher werden die Co-Working-Arbeitsplätze an Bedeutung gewinnen, wenn man sowohl zu Hause als auch im Betrieb arbeiten kann.

Eine neue Entwicklung wird aber wohl nicht aufzuhalten sein – und das ist die notwendige Abkehr vom Individualismus. Es ist ja unstrittig, dass New Work eine neue Arbeitswelt ausgemalt hat, die den individuellen Bedürfnissen gerechter wird. Selbstführung, Achtsamkeit, Job-Sharing und auch Diversity betonen die Einzigartigkeit des Individuums. Jeder soll sich selber verwirklichen können und die Gelegenheit dazu direkt am Arbeitsplatz erhalten. Das wird vorbei sein – und ich füge hinzu: zum Glück.

Denn keine Gemeinschaft lebt von der Einzigartigkeit und dem „pursuit of happiness“ des Einzelnen, sondern von der gemeinsamen Vision und der gemeinsamen Mission. Wir hatten einen American Dream importiert: Jeder Einzelne soll sein Glück suchen und seinen eigenen Erfolg finden. Arnold Schwarzenegger, Bruce Willis und Sylvester Stallone lassen grüßen. Im Amerikanischen wird „ich“ großgeschrieben.

Doch in Insolvenzen geht es mehr um das Überleben des Kollektivs, als um das Wohlbefinden des Einzelnen. Schon die Bestellung eines Insolvenzverwalters verlegt die Perspektive vom einzelnen Gesellschafter auf die Gruppe der Gläubiger. Alle an der Restrukturierung Beteiligten, ob Verwalter, Chief Restructuring Officer, Führungskräfte, Mitarbeiter und sogar der Betriebsrat ziehen notgedrungen an einem Strang; und das hoffentlich kräftig.

Ausgeprägter Individualismus passt nicht zu unserer Kultur und sollte es auch unter New Work nicht sein. Endlich kommt es zu einer Begrenzung des Individualismus in der Gemeinschaft, es geht wieder mehr ums „Wir“. Die Krise wird diese gute Entwicklung ganz sicher beschleunigen. Wenn es eng wird, muss man zusammenhalten. Wenn die Zeiten schlechter werden, muss die soziale Verantwortung wieder zunehmen.

Tatsächlich werden die guten Krisenmanger den Aspekt der Gemeinschaft ins Gedächtnis zurückrufen. Ich selber arbeite schon seit mehr als 20 Jahren in der Restrukturierung. Es hat mich immer wieder erfreut, wie man trotz harter Einschnitte gemeinsam die Wende geschafft hat. Die Mission in der Krise ist einfach: Das Überleben sichern! Dazu müssen alle mitmachen.

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