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Nun sind es nur noch wenige Tage bis zum Weihnachtsfest. Das Büro und die Wohnung sind in weihnachtlicher Atmosphäre geschmückt und tatsächlich habe ich auch schon Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt genossen. Glücklicherweise ist kalt geworden, sonst macht das alles keinen Spaß.

Die Last und Hektik des Jahres läßt langsam nach. Einige Kunden wollen noch alles Mögliche vor den Feiertagen erledigt haben und andere sagen die Termine ab, weil es dann doch nicht mehr so dringlich ist. So ist es halt, jedes Jahr dasselbe.

Die Weihnachtszeit wird gemeinhin als Zeit der inneren Einkehr und der Ruhe angesehen. Man freut sich auf die freien Tage mit der Familie, im Schnee oder zuhause. Wenn man nicht gerade einen Beruf mit Bereitschaftsdienst hat, kommt alles etwas mehr zur Ruhe.

Zeit der Besinnung

Nun habe ich mir tatsächlich einige Dinge vorgenommen, die ich zwischen den Tagen gerne tun möchte. Ich beschäftige mich seit Jahren mit dem Thema Führung und Führungsphilosophie, und ich habe mir einige neue Quellen zurecht gelegt, die ich gern durchlesen möchte. Ausserdem werde ich einen Artikel zum Thema „Rollen in der Führung“ verfassen. Also wieder kein Abschalten? Doch.

Über das Jahr ist nicht viel Zeit, um sich mit den für mich interessanten Themen wirklich auseinander zu setzen. Neben den beruflichen Herausforderungen habe ich noch mein Sportprogramm zu bewältigen und bei gutem Wetter sitze ich lieber mit Freunden draußen als allein mit einem Buch am Schreibtisch oder auf dem Sofa zu sitzen. Jetzt aber finde ich die Möglichkeit und vor allen Dingen die Ruhe einer vertieften Auseinandersetzung mit dem für ich spannenden Thema.

Selbstführung

Ruhe und Beschaulichkeit würde sicher nicht aufkommen, wenn die Auseinandersetzung mit Führung auf den aktuellen Ereignissen des zu Ende gehenden Jahres beruhen würde. Ein Rückblick auf die beruflichen Herausforderungen und vor allen Dingen eine Auflistung aller enttäuschen Führungserfahrungen eines Jahres würden sicher die Stimmung total vermiesen. Es gibt zu viele Beispiele, wo Vorgesetzte und Kollegen Dinge nicht richtig angegangenen sind. Viele Vorhaben sind stecken geblieben und in eigenen Fällen hat man sich noch nicht einmal auf gemeinsame Ziele und Wege verständigen können. Ja es wird allerorten Disruption, Agilität und Innovation gefordert, doch eine Rückschau zeigt wohl den meisten von uns, dass der Weg dahin noch lang ist und dass wir zumindest teilweise noch weit hinter den Erfordernissen zurück liegen.

Doch eine Rückschau auf Versäumnisse ist es nicht, was mich in den nächsten Tagen beschäftigen wird. Überhaupt wird sich mein Blick nicht auf mein Umfeld und vermeintlich schwache oder schlechte Führung in meinem berufliche Umfeld richten. Tatsächlich soll es um mich selbst gehen. Wann, wenn nicht jetzt zum Ende des Jahres, ist die Zeit, mir selbst klar zu werden, wie ich mir Führung vorstelle. Und zwar als Vision der guten und starken Führung und als Anspruch an mich selbst.

Das Seinige Tun

Platon hat seine ganze Führungsphilosophie in einem einzigen Ausspruch verdichtet:

Das Seinige tun!

Die wenigen Worte wirken sofort; man bekommt unmittelbar ein Gefühl dafür, was gemeint ist. Ich habe dieses Credo schon vor einiger Zeit für mich übernommen. Das Seinige tun, kann und sollte das wertvolle Leitmotiv für alle Führungskräfte sein. Auf der einen Seite ist es der Ausdruck einer weitgehenden Autonomie und einer persönlichen permanenten persönlichen Verbesserung. Auf der anderen Seite wird das Seinige tun ganz deutlich mit einem klar definierten Rollenmodell und der Erfüllung gemeinschaftlicher Aufgaben in Verbindung gebracht.1

Also ist es eine wunderbare Aufgabe, mir selbst darüber im klaren zu werden, was den meins ist. Was möchte ich erreichen, wo kann mich verbessern und mit was kann ich im Rückblick zufrieden sein. Ich werde also in einen wunderbaren, kontemplativen Prozess der Selbstbesinnung eintauchen. Die Zeit und die Ruhe habe ich jetzt. Und ich werde ganz bestimmt gestärkt aus diesem Prozess herauskommen. Im besten Fall startet ich direkt in das nächste Jahr mit einem klaren Bild über die Schwerpunkte, die ich setzen will. Ich werde an Kraft und Authentizität gewinnen, weil mein Bild einer starken Führung nicht reaktiv ist und auf externen Einflüssen beruht. Ich mache mir mein Bild aktiv und werde mutig dafür stehen. Und das wird jeder auch sofort merken. Da bin ich mir schon mal sicher.

Eigene und fremde Werte

Der Weg zu einer klaren Führung führt immer über eine besondere Führungsphilosophie. Diese ist trotz eines hohen Abstraktionsgrades facettenreich und vielschichtig. Die Auseinandersetzung mit der Philosophie hat uns gelehrt, dass es weniger drauf ankommt, was man denkt, sondern vielmehr wie man denkt. Es gibt die klare Erkenntnis, dass es hinter dem leicht wahrzunehmenden Zeitgeist, verdeckte Tugenden aufzuspüren gilt. Das solche Überlegungen eine Möglichkeit sind, in die Zukunft zu schauen und Megatrends zu erkennen. Und es gibt die Überzeugung, dass jede gute Führung bei den Führungspersönlichkeiten selber ansetzen sollte. Nur auf der Basis eines persönlichen Wertemodells hat man eine Grundlage, auch die Moralvorstellungen in Unternehmen und die gesamte Unternehmenskultur positiv zu verändern.

Doch man muss auch fremde Werte sehen und bewerten, ob man sie bewußt übernehmen will. In der Weihnachtszeit kommen einem da zunächst einmal die christlichen Tugenden: Glaube, Liebe, Hoffnung in den Sinn. Aber schon seit Papst Gregor dem Großen (540–604) ist es üblich, die klassischen philosophischen Tugenden: Weisheit, Gerechtigkeit, Tapferkeit und Mäßigung mit einzubeziehen. Da kann ich was mit anfangen und meine Einstellungen und auch mein Verhalten nach ausrichten. Für meine Selbstbestimmung einer guten Führung helfen mir die vier Kardinaltugenden mehr als die zahlreichen wirtschaftlichen Zielsetzungen.

Das neue Bild der Führungskraft

Es ist in unserer Zeit absolut notwendig, neben das eindimensionale Streben nach wirtschaftlichem Erfolg auch eine mulitdimensionale Ausrichtung an den Tugenden zu fordern. Das alles sind die Elemente, die eine klare Führung und eine gute Führungsphilosophie kennzeichnen.

Das Seinige tun ist eine Aufforderung zur inneren Einkehr. Das neue Bild der Führungskraft ist nicht mehr ein Manager-Jet-Set, der immer unterwegs ist. Es geht nicht darum, an möglichst viele Besprechungen teilzunehmen. Der volle Terminkalender sollte nicht länger der Maßstab für die Bedeutung sein. Es geht darum, Werte zu schaffen und in den eigenen Augen und denen des Unternehmens wertvoll zu sein. Dazu bedarf es einer starken Konzentration. Es sind die Felder abzustecken, in denen man aktiv sein will und in denen man tatsächlich Werte schafft. Genauso sind die Themen zu identifizieren, bei denen man sich ohne größeren Schaden für das Unternehmen stärker zurück ziehen kann. Das Seinige tun verlangt von uns, neben das hektische Treiben ein neues und besonders wichtiges Bild zu stellen. Wir müssen uns wieder vorstellen können, dass die gute Führungskraft in Ruhe und mit einiger Gelassenheit am Schreibtisch sitzt und arbeitet. Nicht Hektik sollte das Bild des modernen Managers prägen, sondern die konzentrierte Arbeit. Konzentration heißt eben auch Kontemplation. Aus einem oberflächlichen Mitmischen bei allen möglichen Themen sollte wieder eine vertiefte Auseinandersetzung mit wesentlichen Fragen im eigenen Aufgabengebiet und für das Unternehmen werden. Das neue Bild der Führungskraft sollte es sein, wieder vertieft an einer Sache zu sitzen; sich die notwendige Zeit für wichtige Themen zu nehmen. Es ist gerade in bewegten Zeiten notwendig, durch Nachsinnen die Komplexität von Themen zu erfassen und am Ende zu besiegen. Das Nachdenken und Grübeln sollte nicht länger eine Domäne wissenschaftlicher Experten oder externer Berater sein. Das Seinige tun heißt, die Dinge auch wirklich richtig zu machen. Die Führungskräfte müssen wieder dahin kommen, dass sie devot mit ihrer Arbeit umgehen. Im Moment ist es noch so, dass man das eine tut und gleichzeitig mit seinen Gedanken noch auf zwei anderen Hochzeiten tanzt. Die Führung sollte wieder mehr im hier und jetzt sein. Das ist ein wesentlicher Aspekt einer neuen Führungsphilosophie und besonders wichtig auf dem Weg zu einer klaren Führung.

Ich habe mein Bild guter Führung genau im Kopf. Deshalb kann ich mich auch danach verhalten. Und nein, das ist kein guter Vorsatz für das neue Jahr, ich habe schon in diesem Jahr gute Ergebnisse erzielt und kann zufrieden sein.

  1. Brian R. Donovan: The Do-It-Yourselfer in Platons Republic, in American Journal of Philology, Ausgabe 124 (2003) Seite 1-18.

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