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Der Begriff der Philosophie hat sich über einen langen Zeitraum entwickelt und verschiedene Facetten eingenommen. Wir verwenden ihn in einer ursprünglichen und damit archaischen Auslegung, bei der Philosophie das Streben nach Wissen ist. Der Ausdruck „Sophia“ als Wissen umfasst in der klassischen Definition sowohl die Weisheit als eine Form der Einsicht als auch das Sachwissen im Sinne von Fertigkeiten. Es geht den ersten Philosophen nicht um abgeklärte Weisheiten, sondern um die Gewinnung neuer Erkenntnisse. Es sind die Faktoren der Wissbegierde und der Aufgabenbewältigung.
Mit dieser Definition von Philosophie machen wir deutlich, dass auch Führung nicht als rein ethisch-moralische Disziplin zu verstehen ist, sondern auch praktische Aspekte des richtigen Management umfasst. Diese Festlegung führt uns zu einer klaren Logik in der Aufarbeitung zum Thema Führung. Aufbauend auf einem tiefen Verständnis der wesentlichen Faktoren von Führung (der Einsicht) können wir umsetzbare Aspekte der neuen Führung entwickeln (den Fertigkeiten).

Der Sinn des Philosophierens

Die kulturellen Aspekte und ihr Einfluss auf Führung sind in den meisten Fällen nicht direkt ersichtlich. Der unsere Einstellungen so gravierend beeinflussende Zeitgeist unserer Gesellschaft wird viel zu selten betrachtet. Dabei besteht ein großer, wenn auch unsichtbarer Einfluß auf die Unternehmenskultur, die dann wiederum in Management-Tugenden und Management-Techniken ihren Niederschlag findet. Eine Auseinandersetzung mit verdeckten Aspekten der Unternehmensführung – auf die die meisten Vorschläge zur Führung nicht reflektieren – kann man gerne im positiven Sinne als „Philosophieren“ bezeichnen. Der Rückgriff auf Ansätze und Begriffe der fremden Disziplin Philosophie ist Methode oder besser gesagt Dialektik.

Wie kann man besser den Zeitgeist, die Unternehmenskultur, die Grundlagen der Organisation und die Einstellungen der Führungskräfte erläutern, als das man auf mehr als zweitausend Jahre alte Erkenntnisse zurück greift und diese in unsere Zeit übersetzt. Anhand der Grundlagen unseres heutigen westlichen Weltbildes zu argumentieren, das eben in besonderem Maße durch die griechische Philosophie und über zweitausend Jahre alte Ansichten geprägt ist, erleichtert die Schau auf die hintergründigen Phänomene. Es wird eine kritische Distanz zur Komplexität und den Verwicklungen des Tagesgeschäftes eingenommen. Die Überlegungen der Philosophen geben uns einen ebenso anerkannten wie auch weit entfernten Fluchtpunkt für neue Perspektiven.
Fragen der klassischen Philosophie aufzunehmen, zeigt auch noch etwas anderes auf. Viele Probleme, die sich in und für die Unternehmen stellen, erscheinen uns natürlich einzigartig und nur aus der konkreten Situation heraus zu erklären. Ein tieferer Blick zeigt jedoch, dass es teilweise uralte Fragestellungen sind, die nur in neuem Gewande auftreten. Letztendlich handelt es sich um Erkenntnisgegenstände, die uns eigentlich schon über die Jahrhunderte beschäftigen. Die Aktualität vieler philosophischer Themen bleibt ungebrochen, auch wenn das nicht immer leicht zu erkennen ist.

Der Philosophische Rahmen

Es geht um die Erkenntnis, dass wir praktisch gar nicht anders können, als uns in einem festen „philosophischen Rahmen“ zu bewegen. Und tatsächlich gerade in letzter Zeit sind wieder Begriffe aus der Ethik in unserem Sprachgebrauch und in den öffentlichen Diskussionen aufgetaucht. Die jüngsten Ereignisse um Kursmanipulationen, Betrugssoftware, Manager-Boni und Abfindungen, haben eine große Diskussion eröffnet. Ist es eigentlich moralisch vertretbar, dass Anleger um Ihr gesamtes Hab und Gut geprellt werden, während die Verursacher der Tragödien mit millionenschweren Gehältern nach Hause gehen? Was bedeutet eigentlich Verantwortung, wenn tausende von Mitarbeitern ihren Arbeitsplatz verlieren, während die Führung immer höhere Bezüge für sich verbucht? Welche Moral gilt im Management, wenn Eigeninteressen so starr verfolgt werden, das ganze Unternehmen gefährdet werden?
Den aufgezeigten Fehlentwicklungen stellt sich eine zunehmend breitere Front entgegen. Gestandene Persönlichkeiten der Wirtschaft und Politik stemmen sich gegen Selbstbedienungsmentalität, Betrug und mangelnde Unternehmenskontrollen. Immer häufiger verwenden Sie dabei Begriffe wie Ethik und Moral. Es ist keine Frage: Die Wirtschaft setzt ich mit Ihren eigenen Werten auseinander! Und Wertefragen sind ein zentrale Gesichtspunkt der Philosophie.

Philosophie durchdringt unser Leben viel stärker als wir glauben. Daher ist es auch nicht verwunderlich, wieder verstärkt auf das Vokabular dieser Disziplin zurückzugreifen. Es wird uns nicht gelingen, Philosophie in der Gesellschaft und in der Wirtschaft zurück zu drängen. Philosophie umhüllt uns nämlich zu jeder Zeit und in unserem gesamten Handeln. Es mag sein, dass wir den Einfluss grundsätzlicher Fragestellungen und Werte nicht täglich vor Augen haben, das heißt aber nicht, dass nicht doch eine Auseinandersetzung mit philosophischen Sachverhalten statt findet. Die Dinge verbergen sich nur mehr oder weniger. Wir können das Konstrukt der freien Marktwirtschaft nicht ohne eine moralische Wertung des Wettkampfes zwischen Stärkeren und Schwächeren aufbauen und verteidigen. Es ist ebenso nicht möglich, den Begriff der sozialen Marktwirtschaft ohne ein Grundverständnis über Gerechtigkeit in der Gesellschaft zu erörtern. Und auch die betriebswirtschaftliche Frage der Rolle der Führung fußt letztendlich auf grundsätzlichen und in der Gesellschaft anerkannten Werten und Einstellungen.

Zusammenhänge erkennen

Philosophie bedeutet „Liebe zur Weisheit“ und wird als Lehre über die Zusammenhänge der Dinge in der Welt definiert. Bei dieser weiten Auslegung des Begriffs wird erstens deutlich, dass sich Philosophie nicht auf ethische und moralische Aspekte beschränkt. Es werden ebenso wissenschaftliche und praktische Erkenntnisse in die Betrachtung eingeführt. Zweitens wird klar, dass es um die Darstellung von Gesamtzusammenhängen geht.

Die hier vorliegende Auseinandersetzung mit dem Thema neue Führungsphilosophie will keine weitere Methode neben die jetzt schon zu ausschnittartigen Aspekten der betriebswirtschaftlichen Unternehmensführung stellen. Die Führungsphilosophie nimmt übergeordnete Aspekte auf, die von allgemeiner Gültigkeit sind. Ganz bewusst wird abstrahiert und die Suche nach dem Hintergründigen, das sich hinter den konkreten Ausprägungen des Vordergründigen und aktuellen verbirgt, begonnen. Es geht um das Erkennen häufig der Wahrnehmung verborgener Zusammenhänge der Dinge. Nicht der Facettenreichtum der Unternehmen steht im Mittelpunkt des Interesses, sondern Gemeinsamkeiten und übertragbare Erkenntnisse.

Manager und Philosophen

Die moderne Welt der Wirtschaft ist durch stark technokratische und eher unpersönliche Züge geprägt. Zwar ist der homo oeconomicus als Denkmodell der wirtschaftlichen Prinzipien überwunden, doch noch immer sind die rationale Entscheidung, das sachliche Vorgehen, und absolute Durchsetzungsstärke als wesentliche Attribute unangetastet. Im Gegensatz dazu verbindet man mit Philosophie eher „weiche Aspekte“ wie Fragen der Tugend, der Ethik, der Moral usw. Gerade wenn man auf die klassischen griechischen Philosophen Bezug nimmt, werden sofort Assoziationen von Schöngeistern geweckt, die sich der endlosen Diskussion verschrieben haben. Die Bilder in unseren Köpfen zeigen gewandete Männer, die in den heiligen Gärten des Akademos gemeinsam mit ihren Kollegen trefflich über Fragen mit geringem praktischen Wert ringen. Oder alte und durchaus stattliche Herren, die in den Alleen im Lykeion vertieft in Fragen großer Bedeutung umher wandeln. Im Extremfall sehen wir den die Bedürfnislosigkeit predigenden Diogenes vor uns, der in einer Tonne vor den Toren des alten Athens lebte.

Geradezu antipodisch stellen sich die heutigen Führungskräfte dar, die in dunklen Anzügen auf einen sachlich-seriösen Auftritt bedacht sind. Doch die hier angenommenen Gegensätze basieren auf einer falschen oder besser unzureichenden Kenntnis der klassischen Philosophie. Hier hilft uns ein Blick hinter die Verzerrungen, die die heutige Wahrnehmung über die Inhalte dieser Disziplin gelegt hat. In der heutigen Zeit verbinden wir Philosophie zu eng mit den Teildisziplinen der Metaphysik und der Ethik. Die Erkenntnisgegenstände werden allein auf die Frage des Ursprungs allen Seins und der richtigen Verhaltensweise des Menschen eingegrenzt. Eine solche Wahrnehmung wird der Geschichte jedoch nicht gerecht. Philosophie war Wissenschaft schlechthin. Alle Dinge, bei denen der Mensch Wissen gewinnt und verbreitert, waren Inhalt der klassischen Philosophie. Natürlich auch Fragen zur Entstehung der Welt sowie eine kritische Beurteilung der Götter und Religionen. Das Neue bestand aber eben darin, die weit verbreiteten Mythen durch die wissenschaftliche und nach Prinzipien suchende theoretische Auseinandersetzung mit praktischen Fragen zu ersetzen. Philosophie im alten Griechenland heißt Abkehr vom Mythos und Hinwendung zum Logos! Es geht um das verstandesmäßige Erkennen komplexer Sachverhalte. Philosophie ist Aufklärung.

Philosophen und Staatsführung

Unternehmen heutiger Prägung hat es in Kleinasien und dem athenischen Griechenland nicht gegeben. Führung damals hieß Führung des Hauses bzw. Haushaltes und des Staates. In beiden Disziplinen sind die Philosophen durchaus von Bedeutung. Praktisch alle Philosophen haben die Rolle eines Lehrers in Führungsfragen eingenommen und die aristokratische Jugend auf die Aufgaben im Haus und im Staat vorbereitet. Als Beispiel sei hier nur Aristoteles genannt, der im Jahre 343 vor Christus von Phillip dem Großen von Makedonien an seinen Hof berufen wurde, die Ausbildung und Erziehung seines Sohnes Alexander zu übernehmen. Alexander der Große ist uns zunächst einmal durch die riesige Größe seine Reiches von Makedonien bis Indien in Erinnerung. Nach heutigem Sprachgebrauch die erste Form der Globalisierung. Um ein so großes Reich führen zu können, war die erfolgreiche Führung des eigenen Heeres allein nicht ausreichend. Es bedurfte sehr intelligenter Führungsmodelle, um die unterworfenen Staaten „bei der Stange zu halten“. Also im modernen Deutsch eine Flächenorganisation mit dezentralen Elementen, Diversity-Management und einer starken Führung. Inwieweit die Erfolge des uns als Alexander der Große bekannten Feldherrn und Staatsmann durch Philosophie beeinflusst wurden, können wir heute nicht mehr belegen. Fakt ist aber, dass ihm eine profunde Ausbildung in der damaligen Führungslehre zu teil wurde.

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